Infrastruktur-Management

Infrastruktur-Management

Ist das Management der Verkehrs- und Leitungsinfrastruktur vergleichbar mit dem von Gebäuden, oder gibt es da markante Unterschiede?

Dieser Frage widmete sich das 11. Kolloquium Investor-Hochschule-Bauindustrie am 12. Juli 2017 im Oskar von Miller-Forum. Welche Position nimmt dazu die Bauindustrie ein, wie sehen das die Kommunen und was kann die Finanzindustrie dazu beitragen? Diese und andere Fragen wurden in Vorträgen und einer abschließenden Podiumsdiskussion intensiv behandelt. Der Andrang der rund 200 Teilnehmer spricht für die Bedeutung dieses Themas.

Positionierung für die Bauindustrie

Josef Geiger, Präsident des Bayerischen Bauindustrieverbandes e.V.

Bauindustrie moniert Billigstpreisvergabe

Infrastruktur-Management bezieht sich auf den ganzen Lebenszyklus einer Infrastruktur. Aus Sicht der Bauindustrie ist die Beschaffungsentscheidung von größter Bedeutung. Sie sollte sich idealerweise an den erwarteten Gesamtkosten einer Infrastruktur ausrichten. Diese setzen sich zu einem Fünftel aus den Baukosten und zu vier Fünfteln aus den Unterhaltskosten zusammen. Ziel sollte sein, diese zu optimieren, nicht zu minimieren. Denn jede Infrastruktur erbringt ja auch einen Nutzen. In der Praxis werden allerdings öffentliche Bauaufträge für Infrastrukturen ausschließlich nach den Baukosten vergeben – und hier fast immer an den Billigsten ohne Rücksicht auf Qualität, Zuverlässigkeit und andere Kriterien. Gesetzlich gefordert wird allerdings in der VOB/A die Vergabe an das wirtschaftlichste Angebot.

Verschärft wird das Vergabeproblem noch dadurch, dass dieser „Billigstpreis“ fast immer von einem Bauunternehmer stammt, der dringend diesen Auftrag braucht und der daher ein Angebot unter seinen Kosten abgegeben hat. Risiken wurden ebenso wenig berücksichtigt. Die Hoffnung ist, mit Nachträgen doch noch in die Gewinnzone zu kommen, oder zumindest die schwarze Null zu schaffen.

Unökonomisches kameralistisches Denken

Hinter der Billigstpreisvergabe steckt das kameralistische Denken der öffentlichen Haushalte. In der Kameralistik, der seit über 255 Jahren bestehenden und immer noch hauptsächlich angewandten öffentlichen Rechnungslegung, geht es nur um Ein- und Auszahlungen. Die Erfassung des Vermögens und seiner Veränderung im Zeitverlauf ist in der Kameralistik nicht vorgesehen. Daher gibt es auch keine Abschreibungen. Auch absehbare künftige Belastungen wie z. B. Pensionszahlungen werden nicht erfasst, absehbare Erträge auch nicht. Für einen Unternehmer ist das vollkommen unverständlich. Mit einer kameralistischen Denkweise könnte kein Unternehmer lange bestehen. Ein betriebswirtschaftliches oder kaufmännisches Denken beim Staat erfordert daher auch ein entsprechendes Rechnungswesen.

Drastisch formuliert kann man sagen: Der Kameralist glaubt, er „spart“, wenn er nicht investiert. Das kameralistische Ergebnis wird nämlich „besser“, wenn er weniger ausgibt. Aber die Folgekosten, die in vielen Fällen dann später explodieren, erfasst die Kameralistik nicht. Im Endeffekt ist ein solches „Sparen“ genau das Gegenteil einer echten Einsparung: Es ist eine Verschwendung öffentlicher Mittel. Und der Kameralist ist sogar noch stolz darauf! Die Wahrheit bemerkt er erst später, oft wenn es zu spät ist.

Besseres Infrastrukturmanagement durch weiterreichende Zusammenarbeit mit der Bauindustrie

Wer seinen Fokus nur auf die Baukosten, damit auf ein Fünftel der Gesamtkosten richtet, wird selten die optimale Entscheidung treffen. Die Kernfrage lautet somit: Ist es richtig und immer noch zeitgemäß, dass die Öffentliche Hand die Infrastrukturobjekte plant und dann die Planung von einem Bauunternehmen umsetzen lässt und die Betriebsphase völlig außer Acht lässt?

Die Bayerische Bauindustrie sagt dazu: Nein, das ist nicht richtig. Eine weiterreichende Zusammenarbeit der Öffentlichen Hand mit der Bauindustrie kann zu einem besseren Infrastrukturmanagement von Anfang an beitragen.

Funktionale Ausschreibung

Besser als die reine Einzelausschreibung ist oft die Funktionale Ausschreibung. Dabei wird ein Leistungsprogramm ausgeschrieben und kein Leistungsverzeichnis, wie üblicherweise bei öffentlichen Ausschreibungen nach der VOB. Die Ideen, die Fähigkeiten und die Kreativität der Bauindustrie kommen wesentlich mehr zum Tragen. Ein Teil der planerischen Aufgabe wird auf den Bewerber verlagert. 

Design and Build Verträge

Bei den Design and Build Verträgen bieten die Planer und die Bauindustrie ihre Leistung gemeinsam an. Der Bauunternehmer ist verantwortlich dafür, was er baut auch selber richtig zu planen. Das erbringt aus unserer Sicht eine höhere Qualität. Beim Design and Build-Vertrag gibt der Auftraggeber lediglich den Zweck des Bauwerks sowie seine wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionalen Anforderungen vor. Der Ausführende muss das dann gemeinsam mit dem Planer erarbeiten.

ÖPP

Ein umstrittenes Thema innerhalb der Bauindustrie ist PPP oder ÖPP. Der Hauptvorteil für den Staat ist, dass der Lebenszyklusgedanke wirklich gelebt wird. Alles kommt aus einer Hand. Allerdings ist für die Bauindustrie der Aufwand sehr groß. Dieser Vorleistungsaufwand wird nicht oder viel zu gering bezahlt. ÖPP ist im Endeffekt genau der richtige Ansatz, es ist insgesamt derzeit aber noch nicht ausgereift. Entscheidend ist, dass die Öffentliche Hand und die Privatwirtschaft so gemeinsam eine bessere Lösung schaffen, als sie das einzeln könnten. ÖPP muss daher immer mehr als eine Finanzierungsvariante sein.

Eine weitere Frage ist natürlich: Bekommt man über ÖPP zusätzliches Geld für die Infrastruktur? Institutionelle Anleger, Versicherungen und Banken suchen dringend Anlagemöglichkeiten. Allerdings passen nach unserer Erfahrung die Renditeanforderung und die Risikobereitschaft der institutionellen Anleger oft einfach nicht. Wir überlegen derzeit zusammen mit der Bayerischen Staatsregierung in unserem Projekt Bayern Mobilität 2030, ob man nicht über öffentliche Fonds private Gelder mit einsammeln kann. Wir denken hier auch sehr stark an den Bürger, der ja auch nach langfristigen Anlagen bspw. zur Altersvorsorge sucht. Wir sind der Meinung, dass wir hier mit dem Slogan „Mit Infrastruktur die Rente sichern“ privates Kapital zu marktgerechten Konditionen für die Infrastruktur gewinnen können.

Alliance-Verträge

Partnerschaftsverträge bzw. Alliance-Verträge oder Allianzverträge, sind im Hochbau gang und gäbe. Man sollte sie auch im Infrastrukturbau stärker verwenden, insbesondere bei äußerst schwierigen Bauvorhaben. Der Vertragstyp kommt aus Australien und den USA, es gibt ihn auch in Skandinavien. Hier wird der Partnerschaftsgedanke umfassend umgesetzt. Besonders hervorzuheben ist, dass es ein Anreizsystem gibt, das dafür sorgt, dass alle Beteiligten gemeinsam am gleichen Strang in die gleiche Richtung ziehen.

Beim Allianzvertrag wird eine virtuelle Projektgesellschaft gegründet, ein Unternehmen auf Zeit ohne rechtliche Außenwirkung. Ziel dieser Allianz aus Auftraggeber und Auftragnehmer ist es, durch Teamarbeit und gegenseitiges Vertrauen die Investitions- und Betriebskosten sowie die Projektlaufzeit zu minimieren und gleichzeitig die Qualität und Termintreue zu steigern. Für alle Partner wird eine Win-win-Situation geschaffen, indem diese gemeinsam auf Basis einer Kostenschätzung einen Zielpreis ermitteln. Wird dieser Zielpreis unterschritten, teilen sich die Partner die Differenz, wird er überschritten, müssen sich auch alle Partner an der Überschreitung dieses Zielpreises beteiligen, Gleiches gilt auch für andere Projektziele wie Termine, Qualitäten, Sicherheiten. Alle Partner können ihr Gewinnziel nur bei Erreichen der gemeinsam definierten Projektziele verwirklichen.

Partnerschaftliches Vorgehen bei der 2. S-Bahn-Stammstrecke

Bei der 2. Stammstrecke geht die Bauindustrie gemeinsam mit der Deutschen Bahn partnerschaftlich vor. Wir sehen hier erhebliche Erfolge für beide Seiten. Wenn beide Seiten ihr Wissen einbringen, wenn beide Seiten von Anfang an sich das Wissen auch gegenseitig zukommen lassen, das gibt schon in der Ausschreibungsphase Verbesserungen. Wir sind auch davon überzeugt, dass es zu erheblichen Kosteneinsparungen nicht über schlechtere Preise, sondern durch bessere technische Lösungen kommen wird. Es wird in der Bauphase ein ganz anderes Miteinander geben, wenn man zuvor gemeinsam die Ziele vereinbart hat, die man erreichen möchte. Beispiele in Skandinavien, bei denen Verträge auf diese Art und Weise gemacht wurden, belegen das. Da wird sowohl vom Bauherrn als auch vom Auftragnehmer ganz klar bestätigt, dass das am Schluss für beide Seiten das Richtige ist. Wenn gestritten wird, wenn hier spekuliert wird, wenn es über Nachträge geht und man vor Gericht geht, verlieren in der Regel beide.

Digitalisierung am Bau

Die Digitalisierung ist am Bau noch nicht so weit fortgeschritten, wie sie eigentlich sein sollte. Es gibt Baufirmen und auch Auftraggeber, die hier sehr weit voran sind. Es gibt aber auch sehr viele, die noch sehr weit zurück sind. Die Digitalisierung wird den Bauherrn und den Auftragnehmer dazu zwingen, uns im Vorfeld stärker um das Projektziel, die Gesamtkosten und um den Gesamtablauf einer Baustelle zu kümmern. Für ein BIM-Modell, den Digitalen Zwilling eines Bauwerkes, muss man sich frühzeitig wirklich klar sein: Wie ist das Bau-Soll? Was wollen wir erreichen? Wie kann ich das modellieren? Dazu muss ich mir einfach frühzeitig viel mehr Gedanken machen, als es bisher der Fall ist.

Wir haben hier ganz erhebliche Fortschritte erzielt im eigenen Haus, indem man alle Baubeteiligten, vom Architekten im Hochbau, aber das gilt für den Tiefbau genauso, über die Hausfachplaner bis hin zum Unternehmen zwingt, sich im Vorfeld mit diesen Themen richtig auseinanderzusetzen. Hier sind aus meiner Sicht auch noch ganz erhebliche Produktivitäts- sowie Baukosten- und Qualitätsfortschritte möglich. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses die Qualität des Bauens ganz erheblich verbessern wird. BIM zwingt zum strukturierten gemeinsamen Vorgehen.

Schlussbemerkung

Es geht darum, die Kultur beim Bauen zu verändern. An meinen ersten Baustellen war ein partnerschaftliches Bauen mit der öffentlichen Hand noch viel stärker möglich als heute. Viele Gründe sind dafür verantwortlich. Das ist keinesfalls nur der Auftraggeber, das sind auch die Auftragnehmer, die in vielen Fällen mit Vergabethemen, mit juristischen Kniffen, mit Nachträgen und Claim-Management das Vertrauen gegenüber dem Auftraggeber in Frage gestellt haben. Andererseits verspüren wir Bauunternehmen wenig Vertrauen von den Auftraggebern. Das hat sich in den letzten Jahren ganz stark verschlechtert.

Wir wollen die Kultur des Bauens verbessern und wieder zu gegenseitigem Vertrauen kommen. Wir haben im Bayerischen Bauindustrieverband das EMB, das Wertemanagement der Bauwirtschaft. Da verpflichten wir uns selber und lassen uns auditieren, dass wir nur mit gesetzesgerechten und moralisch einwandfreien Methoden vorgehen.

Das geht nur, wenn man ehrlich miteinander umgeht. Wir müssen hier die Kultur des Bauens verändern. Und nur, wenn wir das tun, bekommen wir es hin, dass das Wissen des Bauunternehmers und des Bauauftraggebers im Sinne des Bauwerkes gebündelt wird. Das muss über das Bauen hinaus auch ganz klar den Unterhalt mit einbeziehen. Das wünschen wir uns. Wir sind offen für eine bessere Baukultur. Wir würden uns sehr freuen, wenn die anderen Baubeteiligten diesen Weg mit angehen und wenn wir hier viele althergebrachte Riten und Streitkulturen aufgeben könnten.

Infrastrukturmanagement mit Fokus auf Investitions- und Betriebskosten im Betrieb

Prof. Dr.-Ing. Josef Zimmermann, Ordinarius am Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung der TUM

Forschungsprojekt Infrastrukturmanagement

Unser Forschungsprojekt, das die Bayerische Bauindustrie fördert, untersucht, welche Mittel sind erforderlich, um die Infrastruktur zu erhalten bzw. auch, den entstandenen Rückstau zu beseitigen? Um eine Realisierungsentscheidung zu fällen, brauchen wir die Erstinvestitionskosten, die Herstellungskosten. Zu diesem Zeitpunkt sollten wir auch die zukünftigen Investitionskosten kennen. Summa summarum sollten die Gesamtinvestitionskosten relevant für die Vergabeentscheidung sein. Für ein Infrastrukturmanagement bräuchten wir alle diese Daten.

Jedes Bauwerk ist zwar ein Unikat, aber die Teile des Bauwerkes sind es nicht unbedingt. Ein Fundament in München ist das gleiche wie in Hamburg. Immobilien sind in der obersten Ebene Unikate, ebenso Infrastrukturimmobilien. In der Ebene darunter sind sie es nicht. Wie ein Büro gebaut wird, wie ein Hotelzimmer aussieht, wissen wir. Man kann eine Standardisierung vornehmen für Räume oder in der Infrastruktur für Strukturen, für Bauteile, für Positionen, auch für Prozesse. Aus der Lebensdauer der Teile kann man die Instandhaltungskosten berechnen.

Der Bauherr braucht eine belastbare Grundlage zum Rechnen. Wir nehmen eine Brücke, eine Straße oder einen Tunnel oder die Abwassersysteme auseinander in solche standardisierten Einheiten. Das wird dann skaliert. Diese Einheiten werden an das tatsächliche Bauwerk angepasst nach unterschiedlichen Kriterien wie Länge, Breite, Höhe oder Stück. Mit solchen Standardisierungen können wir sowohl Herstellungskosten als auch zukünftige Investitionskosten mit großer Genauigkeit berechnen.

Empfehlung

Unsere Empfehlung ist die Implementierung eines internen Rechnungswesens mit einer Kosten- und Leistungsrechnung nach Kostenstellen und Kostenträgern bei der Öffentlichen Hand. Sie bräuchte auch eine Investitions-, Finanzierungs- und Planungsrechnung.

Deutsche Bahn als integrierter Infrastrukturanbieter

Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn AG für den Freistaat Bayern

Die Bahn betreibt ein Infrastrukturmanagement. Im Bundestag wurde 1993 die Bahnreform beschlossen, weil die Bahn ein Kostenfaktor war, der nicht effizient gesteuert wurde. Die Bahn wurde bewusst als Wirtschaftsunternehmen mit all diesen wirtschaftlichen Steuerungsfunktionen ausgebildet, damit sie eine vernünftige und bezahlbare Infrastruktur aufbauen kann. Die Bahn hat auch solche Einheitswerte oder Erfahrungswerte. Wir kalkulieren und planen die Projekte und stimmen sie mit unseren Finanzgebern ab. Dann schreiben wir aus.

2. Stammstrecke

Ich freue mich, dass wir bei der 2. Stammstrecke gemeinsam mit der Bauindustrie partnerschaftlich die Herausforderungen, die da bei diesem Riesenprojekt da sind, stemmen wollen. Jeder bringt seine Erfahrungen und Kompetenzen mit ein und dann werden wir dieses Projekt auch stemmen.

Hohe Investitionen

Im Jahr 2017 investieren wir 7,5 Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur. Das ist auch notwendig. Zum einen haben wir auch einen Instandhaltungsrückstau. Mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung haben wir ein Instrument, dass wir vom Bund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr für die Instandhaltung, Erneuerung, Modernisierung unseres bestehenden Netzes bekommen. Nach den Vorgaben des Bundes, dazu gehören auch Qualitätskriterien, können wir als Unternehmen selbst entscheiden können, wo wir diese Mittel nun einsetzen. Wir sind also weg von einer kameralistischen, jahresbezogenen Sichtweise. Wir denken in eine Projektsituation oder in Projektphasen, in Lebenszyklen. Und wir haben hier natürlich in diesen 7,5 Milliarden Euro auch Aus- und Neubaustrecken drin. Wir setzen hier sehr viel Geld für die Zukunftsfähigkeit unseres Netzes ein. Das ist die größte Modernisierungsoffensive seit Gründung der DB AG, also seit 1994.

Wir haben eine Vielzahl von neuen Projekten und auch Inbetriebnahmen im Jahr 2017. Bayern ist da auch stark betroffen. Wir konnten am 5. April 2017 den offiziellen Baubeginn für die zweite Stammstrecke in München feiern, ein Projekt, das ja seit gut 20 Jahren diskutiert wird. Jetzt haben wir es endlich geschafft. Volkswirtschaftlich sinnvoll und damit förderfähig ist nur eine zweite Stammstrecke. Ein Südring hätte den erforderlichen Nutzen-Kosten-Wert größer eins nie erreicht. Der Bund hatte durch politische Verabredungen auch endlich klare Perspektiven für die Fortsetzung des sogenannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Damit konnte Bundesminister Dobrindt langfristige Zusagen machen und so konnte die Finanzierungsvereinbarung für die zweite Stammstrecke unterschrieben werden.

Künftig München-Berlin unter vier Stunden

Aber das Highlight in diesem Jahr ist das VDE 8, Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8. Vier Stunden Berlin-München. Das ist ein 10-Milliarden-Projekt. Nach der Wiedervereinigung hat die Bundesrepublik Deutschland entschieden: Der Westen und der Osten müssen hier wieder zusammenrücken und es muss schnellere, attraktivere Fahrzeiten auf der Schiene nach Berlin geben. Wir werden jetzt am 10. Dezember 2017 mit dieser Strecke in Betrieb gehen, endlich. Wir werden dann dreimal am Tag mit dem Sprinter in 3:55 Stunden von München in Berlin sein und umgekehrt. Zusätzlich gibt es natürlich den Stundentakt. Da hält man häufiger und braucht dann 4:30 Stunden. Wir werden dann wettbewerbsfähig sein gegenüber der Straße und dem Flugzeug.

Ingenieure wollen bei der 2. Stammstrecke dabei sein

Es gibt viele Ingenieure, die wollen in ihrem Lebenslauf drinstehen haben „ich war an dem Bau der zweiten Stammstrecke beteiligt“. Das ist so eine tolle Herausforderung, da will ich einfach mit dabei sein, da will ich mitgestalten. Das Projekt zieht. Andere Projekte sind nicht so sexy, müssen aber auch gemacht werden, da brauchen wir auch Fachleute. Und das ist dann auch gerade bei einer Baukonjunktur, die hier sehr floriert, ich habe es eben ja schon anhand der Marktsituation verdeutlicht, nicht einfach, dann Ingenieure auch zu bekommen, gerade auch am Standort München. Aber Gott sei Dank haben wir hier in München eines der attraktivsten Projekte Deutschlands, deshalb sind wir hier ganz zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen, die wir haben, auch stemmen können.

Wir haben in Bayern einen sehr guten Partner bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, die deutlich mehr Schienenverkehre bestellt. Der Eisenbahnverkehr steht hier im positiven Fokus des Freistaats Bayern und ja, in den letzten Jahren, den letzten 20 Jahren seit der Bahnreform sind also die Verkehre auf der Schiene hier in Bayern deutlich gestiegen, der Freistaat bestellt 50 Prozent mehr Zugkilometer als 1994, damals waren es über 80 Millionen, heute sind es über 120 Millionen Zugkilometer, 70 Prozent mehr Reisende haben wir in unseren Zügen auf den bayerischen Schienen. Leider ist die Infrastruktur in diesen 20 Jahren nicht in diesem Maß mitgewachsen. Daher sind wir froh, dass wir jetzt hier deutlich mehr Geld vom Bund und auch vom Land bekommen. Wichtig ist, dass dieses Niveau auch verstetigt wird. Das ist wichtig, damit wir hier auch planen können, damit wir hier auch vorausschauend dann Projekte bündeln und auch effizienter bauen können. Ja, und wichtig ist, dass wir hier dann auch es weiterhin in den Griff kriegen, unter dem rollenden Rad so zu bauen, dass unsere Fahrgäste und die Eisenbahnverkehrsunternehmen zufrieden sind und dass die Eisenbahn dann die erste Wahl weiter bleibt.

Infrastruktur als Kapitalanlage

Holger Kerzel, Geschäftsführer der MEAG MUNICH ERGO Kapitalanlagegesellschaft mbH

MEAG ist hauptsächlich ein institutionelles Haus, der Kapitalanleger, der Asset Manager der Münchener Rück Gruppe. Das bestimmt mehr als 90 Prozent der Kapitalanlage, daneben betreibt MEAG noch das Publikumsfondsgeschäft. MEAG bietet institutionellen Kunden Produkte und Dienstleistungen an. Die Kapitalanlagen betragen ungefähr 260 Milliarden Euro. Hauptsächlich sind das Festverzinsliche, ungefähr sieben bis acht Prozent Aktien und alternative Investments. Der Anlagenmix hat mit dem Geschäftsmodell einer Versicherung zu tun. Versicherung haben Versicherungsverträge, wofür sie Prämien einnehmen, und sie haben langlaufende Verbindlichkeiten auf der Passivseite. Durch Asset and Liability Management oder Asset Liability Matching wird versucht, beide Seiten so in Einklang zu bringen, dass die Bilanz nicht zu stark schwankt. Festverzinsliche sind deshalb so dominant, weil mit dem Strom an Coupons sehr gut die Verpflichtungen auf der Passivseite abgebildet werden können.

Infrastruktur verspricht höhere Zinsen

Anlagen in Infrastrukturen versprechen höhere Renditen als deutsche Staatsanleihen, die derzeit null Prozent oder sogar negative Zinserträge erbringen. Aber in der Infrastruktur kann man vielleicht noch zusätzliche Rendite erzielen. Infrastruktur soll das Funktionieren der Volkswirtschaft sicherstellen soll, daher hat sie auch die Aufmerksamkeit des Regulierers, des Staates. Das lässt eine gewisse Stabilität erwarten.

Werden Bau oder Entwicklungsrisiken übernommen, so sind höhere Renditen möglich. Andererseits sind Versicherungen daran interessiert, dass eine Anlage ein paar Jahre Historie aufweisen kann. Die Tatsache, dass Infrastruktur eine gleichmäßige Performance über Konjunkturzyklen erwarten lässt, macht sie per se auch für die Versicherungen interessant. Die Hoffnung bei Infrastruktur und der Beweis der Historie ist, dass sie wesentlich stabiler und weniger korreliert mit anderen Anlageformen ist. Außerdem verspricht Infrastruktur nachhaltige und stabile Cashflows. Die monopolistische oder oligopolistische Marktstellung mit hohen Markteintrittsbarrieren von Infrastrukturobjekten verspricht auf längere Frist ein geringeres Wettbewerbsrisiko. Es ist eben sehr unwahrscheinlich, dass neben der Autobahn A 8 rechts oder links davon eine neue Autobahn gebaut wird. Inflationsschutz ist teilweise auch geboten, manche Preise sind indexiert. Der langfristige Zeithorizont von Infrastruktur passt sehr gut zum langfristigen Horizont, den eine Versicherung in der Kapitalanlage haben muss

Versicherungen als Anteilseigner

Warum sind Versicherungen überhaupt interessant oder geeignet als Anteilseigner? Versicherungen sind relativ passiv. Sie sind einfach branchenfremd und können daher nicht unbedingt mitreden. Zweitens haben Versicherungen wenig strategisches Interesse. Sie sind nicht an Fusionen und Akquisitionen, sondern mehr an der Stabilität des Unternehmens interessiert.

Spezielle Herausforderungen für Kommunen

Harald Riedel, Kämmerer der Stadt Nürnberg

Kämmerei und Bauamt Hand in Hand

Die Infrastruktur – investieren, bauen, betreiben, finanzieren – ist das entscheidende Thema meiner Tätigkeit als Kämmerer. Es war eine kleine Krise. Für uns war das eine Chance. Wir haben dann erkannt, dass wir einiges anders machen müssen. Vor allem hat es dazu geführt, dass wir in diese Zusammenarbeit zwischen Finanz- und Baubereich investiert haben. Wir haben unsere Bauverwaltung neu organisiert, unsere Prozesse betrachtet und auch bestimmte Entscheidungsstrukturen verändert. Das war für mich eine historisch günstige Situation, als Finanzbereich bei bestimmten Entscheidungen quasi den Fuß in die Tür zu kriegen.

Wir haben inzwischen eine doppische Buchführung für Kommunen. Wir erstellen eine Bilanz. Wir kennen unser Anlagevermögen. Wir sehen unsere Abschreibungen in der Ergebnisrechnung. Wir machen Rückstellungen und wir machen auch Wirtschaftlichkeitsvergleiche für Beschaffungsalternativen. Wir schauen uns die Kosten für den Betrieb an. Es hat sich doch einiges getan. In Nürnberg haben uns vier Themen beschäftigt: Investitionsstau, Kostensteigerungen im Bau, Erhaltung und Ausbau der Infrastruktur, auch der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur generell, und natürlich die Finanzierung.

Große investive Herausforderungen

Wir müssen in Nürnberg beispielsweise drei große Autobahnbrücken abreißen und neu bauen, Kostenpunkt 140 Millionen Euro ohne jede Förderung. Das sind Brücken, bei denen uns die Experten auf Basis mehrerer Gutachten sagen, dass diese Bautechnik, die damals in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts verwandt wurde, so ist, dass diese Brücken, egal, wie man sie saniert oder unterhält, zum jetzigen Zeitpunkt theoretisch ohne Ankündigung zusammenbrechen können. Wir haben gar keine andere Chance, als sie abzureißen und neu zu bauen.

Wir schauen inzwischen weit nach vorne. Auch das hat sich geändert, nicht mehr der Blick nur in das nächste Jahr oder auf die nächsten vier Jahre, wie es uns gesetzlich vorgeschrieben ist. Ich habe mich im Jahr 2014 entschieden, eine 12-Jahres-Prognose zu machen, weil wir einfach gesehen haben, dass wir in der Kapazitätsplanung, auch in der Finanzplanung mit diesen kurzen Zeiträumen nicht mehr zurechtkommen. Wir haben sämtliche für diese 12 Jahre anstehende Investitionen hochgerechnet. Zusätzlich haben wir auch eine Finanzrechnung für diese 12 Jahre gemacht. Wir haben in Nürnberg relativ früh über Beschaffungsvarianten nachgedacht. Natürlich bauen wir den wesentlichen Teil unserer Projekte ganz konventionell über unsere Hochbauverwaltungen. Wir haben uns dann aber noch ein zweites Standbein zugelegt. Über unsere Wohnungsbaugesellschaft haben wir eine 100-prozentige Tochter gegründet, die wir direkt beauftragen können. Wir haben quasi ein kleines, schnelles Beiboot neben unser Hochbauamt gestellt. Das ist ein bisschen Wettbewerb im eigenen Haus, was sich schon sehr gut ausgewirkt hat. Wir machen mit denen Schulsanierungen, Kindergartensanierungen, inzwischen auch öffentlich-öffentliche Partnerschaften, ÖÖP.

ÖÖP, eine Nürnberger Spezialität

ÖÖP, das ist die Idee, quasi die Grundkonstruktion von ÖPP, also Planen, Bauen, Finanzieren, Betreiben in einer Hand, im eigenen Haus mit dieser Tochtergesellschaft nachzubauen, was ein einen Vorteil in der Flexibilität im Betrieb über die 25 Jahre hat. Der Preis ist, dass der Wirtschaftlichkeitsvorteil niedriger als bei ÖPP ist. Aber wir haben jetzt schon eine Schule mit dieser Tochtergesellschaft nach diesem Modell gebaut und aus unserer Sicht ist es sehr erfolgreich. Letztendlich stehen wir in unserer Beschaffung auf drei Beinen.

Bauinvestitionscontrolling

Das Bauinvestitionscontrolling haben wir im Jahr 2011 eingeführt. Damals bei dieser Krise habe ich festgestellt, dass die Beeinflussbarkeit der Kosten mit Planungsfortschritt sukzessive massiv abnimmt. Ich wollte für den Rest meines Kämmerer-Lebens nicht immer am Schluss die Kostensteigerungen hinnehmen müssen, ohne handeln zu können. Mein Ziel war, am Anfang bei der Bedarfsformulierung mitzureden und den gesamten Entstehungsprozess des Projektes mitzubegleiten. Das Bauinvestitionscontrolling erfasst alle Bauprojekte über 500.000 Euro. Wir wollen von Anfang an eine Kostensicherheit. Das gilt für konventionelle Projekte, bei ÖPP haben wir sowieso die Wirtschaftlichkeitsvergleiche in den verschiedenen Phasen, über das Ausschreibungs-verfahren den Festpreis und damit letztendlich über die 25 Jahre Kostensicherheit.

Wir begleiten die gesamte Planung durch permanente Kontrollen über die gesamten Phasen. Das ist inzwischen ein eingeschliffener Prozess, der läuft und kostet uns eigentlich keine zusätzlichen Zeiten. Mit dem Project Freeze wird letztendlich auch ein detaillierter Terminplan beschlossen, der dann – so ist unsere Erfahrung – in der Regel auch eingehalten wird. Dadurch dass wir den gesamten Prozess von der ersten Bedarfsanmeldung bis zur Fertigstellung transparent begleiten, haben wir Transparenz und wissen zu jedem Zeitpunkt, wo wir stehen. Mit PPP-Projekten können wir da nicht mithalten, die sind immer ungefähr ein Drittel günstiger.

ÖPP, ein Erfolgsmodell in Nürnberg

Ich bin ein großer Freund des ÖPP. Den Vorteil des ÖPP haben wir tatsächlich umgesetzt. Der Vorteil ist, dass wir bei einem privaten Partner von vornherein alle in der Planung an einem Tisch sitzen, da sind die Techniker da, da sind die Architekten da und eben unsere Fachleute aus der Fachverwaltung, unsere Schulfachleute. Wir haben jeweils große gemeinsame Projektgruppen gebildet und diese Projekte zu einem guten Erfolg geführt. Die gängigen Vorurteile – schlechte Architektur, schlechte Qualität – sehen wir nicht, die Qualität ist dieselbe wie bei unseren anderen Projekten, weil wir sie vorgeben. Entscheidend ist natürlich die Funktionalität, die von den Nutzern anerkannt wird. Bei uns fühlen sich Lehrer, Schüler und Eltern in diesen Schulen wohl und das Gebäudemanagement mit den Privaten funktioniert.

Wir haben in unseren bisherigen Projekten genau diese Wirtschaftlichkeitsvorteile erzielt, die auch in der Literatur immer genannt werden, im ersten Projekt 14 Prozent, 19 Prozent, 16,9 Prozent, über den gesamten Lebenszyklus. Unsere Erfahrung mit ÖPP ist so, dass es bei Neubau gut ist, dass es ab einem bestimmten Kostenvolumen gut ist. Kleinere machen wir selber, Sanierungen und Spezialbauten machen wir in der Regel selber. Wir haben auch schon mal eine Generalsanierung gemacht. Auch das hat ganz ordentlich funktioniert.

Anforderungen und Erwartungen eines bauausführenden Unternehmens

Peter Hübner, Mitglied des Vorstandes, Strabag AG

Zum letzten Redner muss ich doch noch zwei Sätze sagen, Herr Riedel: Herzlichen Glückwunsch dazu. Ich kommentiere das deshalb vorab, weil ich jetzt etwas Negatives über öffentliche Auftraggeber sagen werde. Nehmen Sie sich bitte davon aus. Denn was Sie machen, ist mit Sicherheit in Deutschland nicht üblich. Herzlichen Glückwunsch dazu.

Politik muss Planungssicherheit liefern

Ich bin Vorstand in einem großen Baukonzern. Wir haben die gleichen Forderungen an die Politik wie der Bau-Mittelstand. Dabei denke ich an die Planungssicherheit denke, auch einmal eine längere Spanne zu beplanen und nicht nur das nächste Jahr, sondern sich einfach mal zehn Jahre vorzunehmen. Das wäre Planungssicherheit nicht nur für den kommunalen Auftraggeber und die Stadtkasse, sondern vor allem auch die Unternehmen, die sich darauf einstellen möchten mit ihren Kapazitäten.

Mehr Vergaben an Generalunternehmer

Als ganz wesentlichen Grund dafür, dass Bauprojekte oft nicht so laufen wie sie sollten, sehe im traditionellen Leitbild im öffentlichen Bau, das einem ganzheitlichen Infrastrukturmanagement entgegensteht. Das ist die Trennung von Planen, Bauen und Betrieb und vor allen Dingen das für mich unsägliche Gebot der Fach- und Teillosvergabe. Es muss doch jedem Auftraggeber überlassen sein, wie er ausschreibt. Wenn er sich für eine GU-Vergabe entscheidet, dann hat er das hoffentlich genügend abgewogen. Es kann doch nicht sein, dass er zu einer Fach- und Teil-losvergabe gezwungen wird oder, noch viel schlimmer, vielleicht durch einen Spezialanbieter auch noch gerichtlich dazu gezwungen wird.

Ganzheitliches Infrastrukturmanagement kann nicht bedeuten, dass die unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen des Bauprozesses isoliert betrachtet werden. Wir können uns diese Zerstückelung in der Realisierung und Bewirtschaftung von Infrastruktur nicht mehr leisten, gerade aufgrund der extremen Komplexität schon in der Planungs- und Genehmigungsphase, aber auch durch die komplexen Anforderungen der Nutzer. Bereits in der Planungsphase komplexer Großprojekte werden viele Einzelplanungen vergeben. Wenn Sie große Projekte sehen, da haben wir Planungsphasen: Von der Idee einer Ortsumgehung bis zur Realisierung vergehen 25 Jahre. Und wenn Sie dann die einzelnen Planungsphasen sehen, die müssten ja dann alle fortgeschrieben werden. Die Einzelplanungen werden vergeben. Es wird sequentiell gearbeitet. Es wird zum Teil noch an einzelnen Spezialthemen von unterschiedlichen Büros gearbeitet. Es wird auf unterschiedlichen Plattformen gearbeitet und schon in der Planung wird meistens in diesen Bereichen nicht integriert gearbeitet. Dadurch gibt es natürlich unendlich viele Schnittstellen, viele Datenbrüche. Es gibt viele Schnittstellenrisiken, viele Widersprüche. Gleichzeitig wird wenig Spezialwissen im Vorfeld der Ausführung der Maßnahmen eingebunden. Dadurch werden relevante Risiken wahrscheinlich erst gar nicht identifiziert oder zumindest nicht im notwendigen Umfang. Auch die Phasen des Betriebes und der Instandhaltung werden in der Regel bei den konventionellen Ausschreibungen überhaupt nicht berücksichtigt. Es gibt keinen Anreiz dafür, sich mit Dingen zu beschäftigen, die über den konkreten Einzelauftrag hinausgehen.

Öffentliche Hand soll andere Beschaffungsvarianten nutzen

Auf der öffentlichen Seite muss endlich konstatiert werden, dass ihre personellen Kapazitäten aktuell eingeschränkt sind. Von daher ist es einfach angesagt dringend erforderlich, sich auch mit anderen Beschaffungsvarianten zu beschäftigen. Derzeit ist es öfter so, dass öffentliche Auftraggeber die Ausschreibung aufheben, wenn sie nur ein Angebot haben. Die Begründung ist dann, das eine Angebot liegt weit über der Kostenschätzung. Ich meine, das kann grundsätzlich so sein. Jetzt fehlt grundsätzlich die Kontrolle des Wettbewerbs. Normalerweise haben sie vielleicht fünf Angebote, dann liegen sie zwar über der Kostenschätzung, aber dann kann man sagen, das ist im Wettbewerb zustande gekommen. Aber die öffentlichen Auftraggeber müssen sich ihre Kostenschätzung eben genau anschauen. Dann merken sie relativ schnell, dass sie oft vor Jahren erstellt, preislich nicht fortgeschrieben und diverse Dinge einfach nicht berücksichtigt wurden. Ich finde es grundsätzlich nicht in Ordnung, zu glauben, die Bauindustrie packt da jetzt 30 Prozent drauf und will sich eine goldene Nase verdienen, nur weil man einen vermeintlich eingeschränkten Wettbewerb hat. Das wird bei 72.000 Bauunternehmen in Deutschland nicht passieren, das kann ich Ihnen garantieren. Trotz der hohen Nachfrage haben wir eine unglaubliche Wettbewerbssituation. Es ist die Ausnahme, dass bei einer öffentlichen Submission nur ein oder zwei Angebote abgegeben werden. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir wissen das vorher noch nicht einmal. Das spricht ja auch für den Markt Deutschland. Hier weiß niemand bei den öffentlichen Angeboten, dass er bei der Submission alleine ist. Von daher ist dieses Preis-nach-oben-Nehmen so, wie sich manche das vorstellen, mit Sicherheit nicht möglich.wir meinen, wir brauchen das nicht.

Die öffentliche Hand braucht andere Vertragsmodelle. Sie braucht die ganze Palette dieser Beschaffungsmodelle, die zur Verfügung stehen. Überall, in allen anderen Wirtschaftsbereichen wird über interdisziplinäre Ansätze gesprochen, nur bei uns sind immer noch Planung, Bau, Betrieb und Unterhaltung streng getrennt. Im Maschinenbau, der Informatik, der Medizin – überall geht man interdisziplinär vor. Nur wir meinen, wir brauchen das nicht.

Kooperatives Bauen

Alexander Dobrindt - das muss man einfach mal sagen, also wirklich Hut ab vor ihm - hat die Reformkommission Bau von Großprojekten erfolgreich durchgeführt. Die Erfolgsfaktoren für eine termin- und kostengerechte Umsetzung gehen alle in Richtung kooperatives Bauen. Dazu gehört auch BIM, also die stärkere Nutzung digitaler Methoden. Er hat ja auch den Stufenplan BIM initiiert, wo jetzt diverse Pilotprojekte kommen werden.

Wir werden am Bau niemals alle Probleme vermeiden können. Auf dem Bau wird einfach ab und zu gestritten. Dafür ist das, was wir da machen, viel zu komplex. Das kann einfach nicht immer fadengerade laufen. Egal, wie gut eine Ausschreibung ist, egal, wie gut ein Bauunternehmer versucht, dieser Ausschreibung zu folgen, irgendwo gibt es einen Punkt, da ist man sich plötzlich nicht einig. Dann vor Gericht zu gehen, ist mit Sicherheit die allerletzte und schlechteste Lösung. Standard ist, dass eine Maßnahme dann monatelang mit Streit belastet wird. Daher fordern wir die Adjudikation. Die Politik, zumindest das Justizministerium behauptet, die Adjudikation sei eine Umgehung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das ist nicht richtig. Natürlich muss der Schlichterspruch bindend sein, er muss vollzogen werden können. Aber jeder Partner hat danach die Möglichkeit, zum ordentlichen Gericht zu gehen und diesen Schlichterspruch wieder zu beklagen. Grundsätzlich wird das Projekt fertiggestellt und dann kann man sich die nächsten Jahre vor Gericht streiten.

Planungsbeschleunigung

Aber wir haben trotzdem ein Problem der mangelnden Bereitstellung von baureifen Projekten. Planungsbeschleunigung, auch darum kümmert sich Minister Dobrindt, der das Innovationsforum Planungsbeschleunigung initiiert hat, mit Optimierung von Verwaltungsabläufen und Optimierung naturschutzrechtlicher Prüfungen. Der Planfeststellungsbeschluss 1971 Startbahn West Frankfurter Flughafen hatte 23 Seiten. Der Planfeststellungsbeschluss des gleichen Flughafens für die Landebahn Nord 2007 hatte 2.500 Seiten.

Vorschläge von der Kommission, die sich mit der Planungsbeschleunigung beschäftigt hat, sind: Integration des Raumordnungsverfahrens in die Planfeststellungsverfahren und bei reinen Ersatzmaßnahmen, zum Beispiel bei Brückenbau, Planfeststellung durch Plangenehmigungsverfahren ersetzen, sozusagen eine Vorrangregelung für die Plangenehmigung schaffen, das würde eine unglaubliche Beschleunigung bringen und natürlich dann auch auf die EU einwirken, EU-rechtlich normierte Arten und naturschutzrechtliche Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Das soll nicht heißen, dass wir plötzlich keinen Landschafts- und Naturschutz mehr haben wollen. Es geht um den sinnvollen Umgang damit. Das Verbandsklagerecht ist eine weitere extreme Behinderung der Planungen. Das muss entweder eingeschränkt werden oder ganz vom Tisch. Das sind Themen, die von Dobrindt oder von dem Innovationsforum angemerkt wurden. Ich halte die für gut.