Präambel

Jedes Unternehmen braucht einen ordentlichen Gewinn. Nur so kann es dauerhaft überleben, seine Arbeitsplätze und seine Zukunft sichern und sich und seine Beschäftigten weiterentwickeln. In der Bauwirtschaft ist die Rendite allerdings gering.

Kann man daraus den Schluß ziehen, die Branche sei unfähig, erfolgreich zu wirtschaften, oder gar, sie sei unwichtig, sie wird nicht mehr gebraucht? Unwichtig ist sie offensichtlich nicht, denn gebaut wurde und wird immer. Die Anforderungen an die Baubranche steigen sogar immens. Bauen ist Hightech und wird es immer mehr. Das gilt für die großen Herausforderungen, wie den jetzt beschlossenen Bau der Zweiten Stammstrecke in München. Es ist eine gewaltige Herausforderung, in rund 40 m Tiefe zwei Röhren von zusammen 14 km Länge durch den Münchner Untergrund zu bohren und an drei neuen Bahnhöfen mit dem bestehenden Netz zu verbinden. Viele Gebäude werden vom Bauen her immer komplexer und komplizierter und sie haben ein immer aufwändigeres technisches Innenleben. Immer für die Menschen: Sie sollen sich darin wohlfühlen, sie sollen es gerne betreten, es annehmen und stolz auf „ihr“ Gebäude sein.

Bauen ist auch deshalb anspruchsvoll, weil es nicht in einer Fabrik, sondern auf der Baustelle geschieht. Bauen ist sozusagen mobil, ein markanter Gegensatz zur stationären Industrie. Jede Baustelle muss jeweils neu aufgebaut werden und jede Baustelle ist anders. Sie muss da errichtet werden, wo das Bauwerk bereits steht oder wo es gebaut werden soll.

Wenn also die Rendite beim Bauen niedrig ist, dann liegt es bestimmt nicht daran, dass Bauen einfach und damit billig ist. Ganz unwahrscheinlich ist es auch, dass es daran liegt, dass die Bauunternehmer weniger fähig sind, erfolgreich zu wirtschaften als andere Branchen. Die Antwort kann daher nur lauten, es liegt an den Marktbedingungen, an den Marktverhältnissen.

Hilfreich ist es, den Baumarkt in zwei Pole einzuteilen. Auf dem einen Pol führt der Bauunternehmer die bis in das Detail vom Bauherrn vorgeplanten Bauaufträge aus. Diesen Auftrag bekommt er aber nur, wenn er der billigste ist. Am anderen Pol des Baumarktes, dem umfangmäßig deutlich kleineren, ist der Bauunternehmer in der Lage, seinen Markt aktiv anzugehen, entweder indem er ein eigenes Produkt anbietet, das ihn von anderen Unterscheidet, oder er hat Vertriebsstrukturen aufgebaut, um aktiv Aufträge zu beschaffen. Auf der Produktseite winkt ihm eine deutlich bessere Rendite als auf der Dienstleistungsseite des Baumarktes.

Mit dieser Zweiteilung versteht man das Bauen, die Bauunternehmer und die Baubeschäftigten besser. Das ist Voraussetzung, um die richtigen Folgerungen zu ziehen. Zu einem fairen und bonitären Baumarkt, der dauerhaft beiden Seiten nutzt, den Bauherrn und den Bauausführenden. Letztlich uns allen.

Den Baumarkt richtig verstehen

Die Bauwirtschaft kennt jeder, das meint er jedenfalls. Heißt das aber, dass auch jeder das Bauen „versteht“, dass er weiß, wie der Baumarkt funktioniert?

Die zwei Pole des Baumarktes

Die wenigsten Bauwerke kann man fertig kaufen. Mit Bauwerken sind gemeint Hochbauten, also Gebäude aller Art, Tiefbauten wie Straßen, Schienenwege,Brücken, sowie alle Kanäle und Leitungen. Die meisten Bauwerke werden erst auf Wunsch des Bauherrn erstellt. Fertig kaufen kann man beispielweise Wohnungen und Häuser. Sie werden oft zuerst von einem Bauunternehmer oder Bauträger erstellt und danach fertig verkauft. Das sind aber die Ausnahmen am Baumarkt. Die Regel ist, dass Bauwerke auf Wunsch des Bauherrn erstellt werden. Oftmals plant sie der Bauherr auch und sucht sich dann ein Bauunternehmen, das ihm sein Bauwerk erstellt.

Twin Tower München

Zwischen beiden Bauwerktypen, dem fertig gekauften und dem nach Plan des Bauherrn gebauten, besteht ein fundamentaler Unterschied. Um den Baumarkt und damit die Bauwirtschaft zu verstehen, ist es daher sinnvoll, ihn in zwei Seiten oder zwei Pole zu unterteilen und diese getrennt zu betrachten:

  • die Dienstleistungsseite: der Teil des Baumarktes, auf dem ein Bauunternehmen ein Gebäude auf Wunsch und nach den Plänen des Bauherrn als Auftragnehmer erstellt.
  • die Produktseite: der Teil des Baumarktes, auf dem entweder fertige Gebäude verkauftwerden oder ein Bauunternehmen es geschafft hat, einen Gebäudetypsoweit zu standardisieren, dass er zu seiner Besonderheit, zu seiner Markegeworden ist. Dort nimmt der Bauunternehmer aktiv Einfluss auf seinen Marktund damit seine Aufträge.

I. Die Dienstleistungsseite des Baumarktes

Baustelle Garching

Idealtypisch für diesen Teil des Baumarktes ist:

  1. Ein Bauherr möchte ein Gebäude auf seinem Grundstück nach seinen Vorstellungen und Wünschen errichten.
  2. Dazu erstellt er einen genauen Plan des Bauwerks oder er beauftragt Fachleute damit.
  3. Danach fordert er Bauunternehmen auf, ihm den Preis zu nennen, zu dem sie seinen Bauauftrag ausführen würden. Daraufhin ermitteln die am Auftrag interessierten Bauunternehmen den für sie machbaren Angebotspreis und nennen diesen dem Bauherrn.
  4. Aus den ihm zugegangenen Angeboten wählt er das ihm am geeignetsten erscheinende aus und vergibt den Bauauftrag.

Wenn es so in der Praxis abliefe, wäre es ideal. Man könnte sagen: So funktionieren eben Märkte, man muss um einen Auftrag kämpfen, der beste bekommt ihn. Jeder Markt funktioniert so!

Doch die Praxis am Baumarkt ist anders:

  • Ganz anders verläuft die Kalkulation des Angebots durch die Bauunternehmen
  • Und ganz anders geschieht die Auswahl des besten Angebots durch den Bauherrn.

Bauunternehmen brauchen immer einen Anschlussauftrag

Ein Bauauftrag, also die Dienstleistung, ein Bauwerk auf Wunsch des Bauherrn zu erstellen, muss dann ausgeführt werden, wenn es der Bauherr wünscht. Man kann nicht auf „Vorrat“ bauen, anders als bei der Güterherstellung. Ein Pkw-Produzent kann zumindest eine Zeitlang auf Lager produzieren, wenn er zuwenig Aufträge hat, um seine Produktionskapazitäten auszulasten.

Wenn ein Bauunternehmer einen Bauauftrag abgeschlossen hat und er danach über keinen weiteren Auftrag verfügt, steht ihm der Ausweg, auf Vorrat zu produzieren,nicht zur Verfügung. Er kann vorübergehend seine Mitarbeiter mit Reparatur-oder Aufräumarbeiten „beschäftigen“. Das bringt ihm aber keine Erträge.Dazu kommen eventuell noch die Kosten, die dadurch entstehen, dass Maschinen und Geräte stillstehen und beispielsweise untergebracht werden müssen.

Wenn er dringend einen neuen Auftrag braucht, wird er bei der Kalkulation dieses Auftrags einen Preis festsetzen, der unter seinen Kosten liegt. Solange er nämlich nur einen Teil seiner Kosten dadurch erlösen kann, ist er besser dran– auch wenn er diesen Auftrag nur mit einem Verlust abschließen kann. Aberohne diesen Auftrag wäre sein Verlust noch höher!

"Der Zwang zum Anschlussauftrag führt oft zu einem nicht-auskömmlichen Angebotspreis."

Fast immer steht ein Bauunternehmen vor dem Zwang zum Anschlussauftrag

Bei fast jeder Ausschreibung eines Bauauftrages bietet ein Bauunternehmen mit, das diesen unbedingt als Anschlußauftrag braucht. Mitbieten wird dieses Bauunternehmen in vielen Fällen auch dann, wenn dieser eine Auftrag eigentlich nicht zu seinem Kerngeschäft gehört. Denn auch ein solcher Auftrag ist im Endeffekt besser als kein Anschlußauftrag.

"Fast immer bietet ein Bauunternehmen mit, das unbedingt einen Anschlussauftrag braucht."

Der Bauherr vergibt den Auftrag an den billigsten Bieter

Aus den ihm zugegangenen Angeboten wählt der Bauherr dann denjenigen aus,dem er den Auftrag erteilt. Um sachgerecht den besten Bieter herauszufinden,könnte sich der Bauherr zum Beispiel danach richten, welcher die höchste Bauqualität verspricht oder wer am ehesten in der Lage ist, den Bau im festgelegten Zeitrahmen fertigzustellen, oder wer am ehesten einen reibungslosen Bauablauf erwarten läßt. Die richtige Entscheidung wäre nicht einfach, aber sie wäre gut begründet.

Praxis im Öffentlichen Bau allerdings ist, dass als Kriterium fast immer nur der Angebotspreis verwendet wird. Der Billigste bekommt den Auftrag. Nachdem aber in vielen Fällen der billigste Bieter einer ist, der unbedingt einen Anschlußauftrag braucht, heißt das:

  • Bauaufträge werden meist zu einem Preis vergeben, der die Kosten des Bauunternehmens nicht deckt.
  • Wer kostendeckend kalkuliert, hat unter solchen Umständen keine Chance,einen Auftrag zu erhalten.

"Fast jeder Bauauftrag wird am Dienstleistungspol zu einem Nicht-Kostendeckenden Preis vergeben."

Die Praxis widerspricht der Vorschrift

Die für die Vergabe öffentlicher Bauaufträge maßgebliche Vorschrift, die Verdingungsordnung Bau, sieht aber vor, dass den Zuschlag das wirtschaftlichste Angebot erhalten soll.

Nach § 16d Abs. 1 Nr. 3 VOB/A soll der Zuschlag auf das Angebot erteilt werden, das „unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte, wie z. B. Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist als das wirtschaftlichste erscheint. Der niedrigste Angebotspreis allein ist nicht entscheidend.“

Das Kriterium Qualität steht in der Reihenfolge der aufgelisteten Zuschlagskriterien sogar vor dem Preis.

Bislang nur zaghafte Ansätze, um von der Billigstpreisvergabe wegzukommen

Die fast ausschließliche Billigstpreisvergabe im Öffentlichen Bau ist das größte Problem der Bauunternehmen. Wenn letztlich nur der Preis zählt, haben sie keine Chance, durch hohe Bauqualität, zuverlässiges Einhalten der vereinbarten Bauzeit, umweltschonendes Bauen und andere Qualitätskriterien einen höheren Angebotspreis zu rechtfertigen – und trotzdem als wirtschaftlichstes Angebot den Auftrag zu erhalten.

Immerhin gibt es auch in Deutschland erste, zaghafte Ansätze, von der reinen Preisbetrachtung wegzukommen und zusätzliche qualitative Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Die Vergabehandbücher des Bundes und des Freistaates Bayern sehen das ausdrücklich vor. Allerdings müssen diese noch sehr allgemein formulierten zusätzlichen Wertungskriterien erst noch weiter ausgearbeitet werden, damit sie im Vergabeverfahren objektiv, transparent und rechtlich nachprüfbar angewandt werden können.

Die Øresund Brücke gilt als die weltweit längste Schrägseilbrücke für kombinierten Straßen- und Eisenbahnverkehr und verbindet Dänemark mit Schweden.

Andere Länder sind deutlich weiter

Deutlich weiter als Bayern und Deutschland sind andere Länder, so z. B. Österreich. Dort gilt für öffentliche Aufträge über 1 Mio. € seit 1. März 2016 das Bestbieterprinzip. Demnach sind als Kriterien u.a. zu berücksichtigen:

  • Lieferfristen,
  • Ausführungsdauer,
  • Umwelt- und Sozialstandards,
  • Arbeitnehmerschutz,
  • Einsatz geschulter Fachkräfte.

Dafür kann ein Auftragnehmer bis zu zehn Prozent mehr verlangen als der Billigstbieter und bekommt trotzdem den Auftrag.

Die Kriterien sowie der Umgang damit wurden in enger Abstimmung mit den österreichischen Bauverbänden ausgearbeitet.

Die Folgen der Billigstpreisvergabe zeigen sich in den Bilanzen der Bauunternehmen

Ein Vergleich der Renditen in der Bauindustrie mit Branchen rund um das Bauen zeigt die Auswirkungen: Gemessen am Jahresergebnis vor Steuern beträgt die Rendite für Kapitalgesellschaften mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. € nicht einmal zwei Fünftel derer im Grundstücks- und Wohnungswesen.

"Rund um das Bauwerk wird mehr verdient als mit dem Bauen."

JAHRESERGEBNIS VOR GEWINNSTEUERN (2014)

in % des Umsatzes

Quelle: Deutsche Bundesbank; jeweils Kapitalgesellschaften mit mehr als 50 Mio. € Umsatz

Die Grunddaten stammen vom Statistischen Bundesamt. Ein sicherlich noch interessanterer Vergleich der Renditen aller Unternehmen in diesen Branchen ergibt allerdings ein verzerrtes Ergebnis. Denn man muss bedenken, dass bei kleinen Unternehmen, die als Personengesellschaft organisiert sind, auch der Lohn des Unternehmers zur Rendite zählt. Der Eigentümer lebt vom Gewinn, er bezieht dort kein Gehalt. Dagegen zählt der Lohn des Chefs in Kapitalgesellschaften zu den Betriebskosten. In der Bauwirtschaft gibt es sehr viele sehr kleine Unternehmen: Von den knapp 13.000 Betrieben im bayerischen Bauhauptgewerbe haben nur 431 Betriebe 50 und mehr Beschäftigte. Das sind 3,3 %. Nur wenige dieser 431 Unternehmen sind Kapitalgesellschaften.

Würde man also die Renditen der gesamten Bauwirtschaft mit denen einer anderen Branche mit hauptsächlich größeren Unternehmen vergleichen, so würde die Rendite in der Bauwirtschaft höher erscheinen als sie es bei korrekter Rechnung ist. Diesen Fehler vermeidet man, wenn man sich auf Kapitalgesellschaften beschränkt.

Bauen ist anspruchsvoll und komplex: Die Rendite sollte eigentlich höher sein

Gewinne und Renditen hängen üblicherweise auch davon ab, wie komplex und anspruchsvoll eine Aufgabe ist. Bauen ist anspruchsvoll. In vielerlei Hinsicht ist es herausfordernder als die Herstellung von Konsum- oder Produktionsgütern.

Gebaut wird mobil

Bauen ist schon deshalb anspruchsvoll, weil es nicht in einer Fabrik, sondern auf der Baustelle geschieht. Bauen ist sozusagen mobil, ein markanter Gegensatz zur stationären Industrie. Jede Baustelle muss jeweils neu aufgebaut werden und jede Baustelle ist anders. Eine Baustelle kann auch nicht wie eine Fabrik am bestmöglichen Ort, bezüglich der Arbeitskräfte, der Kunden, der Verkehrsinfrastruktur usw., errichtet werden. Eine Baustelle muss da aufgebaut werden, wo sich bereits das Bauwerk befindet oder wo es neu gebaut werden soll. Das sind oft schwierige Bedingungen, so in den Städten oder in herausfordernden Regionen der Welt, im Gebirge, in der Wüste oder auch unter Wasser.

Alle Bauwerke sind Unikate

Alle Bauwerke sind Einzelstücke, sog. Unikate. Die meisten werden gebaut auf Wunsch und nach den Vorgaben des Bauherrn. Aber auch wenn, wie beim industriellen Bauen, ein Bauwerk aus vorgefertigten Teilen erstellt wird, so wird es doch auf der jeweiligen Baustelle unter einzigartigen Umständen gebaut. Manches Mal sind das sogar sehr schwierige Bedingungen, wie unerwartet lange Frostperioden, längere Phasen schlechten Wetters oder katastrophale Wetterlagen. Da kann nicht immer auf besseres Wetter gewartet werden, es muss weitergebaut werden.

Große Risiken beim Bauen

Aufgrund der Einzelfertigung der Bauwerke, wegen der Besonderheiten der jeweiligen Baustelle sowie der unvorhersehbaren Witterungsverhältnisse ist Bauen grundsätzlich riskanter als die Produktion in einer Fabrik bei idealen Bedingungen. Spezielle Risiken entstehen auch dadurch, dass bei größeren Bauvorhaben sehr viele Partner zusammenarbeiten.

Diese möglichen Risiken sollten im Idealfall bereits bei der Kalkulation berücksichtigt, berechnet und sachgerecht in den Angebotspreis eingerechnet werden. In der Praxis geschieht das aber fast nie. Man hofft, dass Risiken, die zwar in einem gewissen Ausmaß wahrscheinlich, aber nicht sicher zu erwarten sind, doch nicht eintreffen. Das ist im Grunde eine Spekulation auf eine risikolose Bauphase. Es wird immer ein mitbietendes Bauunternehmen geben, das so denkt. Wer in einer solchen Situation mögliche Risiken in seinen Angebotspreis einrechnet, hat damit von Vorneherein keine Chance auf den Auftrag.

Vorleistungspflicht und Vorfinanzierung

An den Produktmärkten gilt normalerweise das Prinzip Ware gegen Geld. Leistung und Gegenleistung finden dann gleichzeitig statt. An vielen Produktmärkten und auch Dienstleistungsmärkten ist es sogar üblich, dass erst bezahlt oder zumindest ein Teil angezahlt werden muss, bevor mit der Produktion des Gutes oder der Dienstleistung angefangen wird. Am Bau dagegen wird vom Bauunternehmer immer als Vorleistung verlangt, das Bauwerk zu erstellen. Geld gibt es immer hernach, entweder erst nach vollständiger Fertigstellung und erfolgreicher Bauabnahme oder als Abschlagszahlung nach einer Teilfertigstellung. Für die Bauunternehmen sind damit immer Finanzierungskosten verbunden sowie das Ausfallrisiko, nämlich das Risiko, sein Geld nicht, nur teilweise oder erst nach längerem Streit zu bekommen.

Die Rendite sollte sich aus Risiko und Leistung zusammensetzen

Die hohen Anforderungen des Bauens allgemein, die speziellen Herausforderungen des mobilen Bauens, nämlich die Baustelle als wandernde Fabrik jeweils neu zu errichten, Bauwerke als Unikate, die großen Risiken des Bauens sowie die Belastung der Bauunternehmen durch die Vorleistung und Vorfinanzierung sowie die hohen, mit dem Bauen verbundenen Risiken, würden insgesamt sogar eine hohe Rendite rechtfertigen.

"Leistung und Risiko am Bau rechtfertigen eine hohe Rendite in der Bauwirtschaft."

II. DIE PRODUKTSEITE DES BAUMARKTES

Die Produktseite des Baumarktes ist vom Umfang her deutlich kleiner als die Dienstleistungsseite. Nur rund 3 bis 5 Prozent des Bauvolumens dürfte sie ausmachen. Mit Produkten sind Bauwerke gemeint, die der Bauunternehmen aktiv vermarktet, oder zumindest vermarkten könnte. Dafür hat er eine Vertriebsstruktur aufgebaut und beschäftigt Vertriebsmitarbeiter, die aktiv auf Stammkunden und mögliche Kunden zugehen. Dazu steht dann der gesamte Werkzeugkasten des Marketings zur Verfügung: die Imagewerbung, um das Unternehmen bekannt zu machen, Messen, um den Kunden das Produkt erleben zu lassen, Werbeprospekte, Anzeigen und vieles mehr.

Anders als auf der Dienstleistungsseite ist der Bauunternehmer nicht darauf beschränkt, passiv warten zu müssen, bis er einen für ihn passenden Auftrag findet, um den er sich dann bewirbt. Genaugenommen ist der Übergang vom Dienstleistungspol zum Produktpol fließend. Die Trennlinie hängt vor allem nicht vom Bauwerk ab, sondern von den Marktverhältnissen und den eigenen Marketingaktivitäten des Bauunternehmens.

So kann beispielsweise ein Produktionsgebäude im Wirtschaftsbau sowohl zum Dienstleistungspol als auch zum Produktpol gehören. Zum Dienstleistungspol gehört es, wenn das Wirtschaftsunternehmen es selbst vollständig plant und dann den Bauauftrag an den von ihm ausgewählten Bieter vergibt. Dasselbe Gebäude zählt dann zum Produktpol, wenn das Bauunternehmen den Auftrag als Erfolg eigener Marketingaktivitäten erhalten hat, oder wenn das Wirtschaftsunternehmen von sich aus auf das Bauunternehmen zugekommen ist, weil ihm dieses als Spezialist für diesen Gebäudetyp bekannt ist.

Am Produktpol kann das Bauunternehmen den Preis bestimmen

Am Produktpol ist das Bauunternehmen kein Preisnehmer, vor allem kein Billigstpreishinnehmer. Es kann seinen Absatzpreis selbst festlegen, zumindest in einem gewissen Ausmaß. Der Preissetzungsspielraum hängt dabei von seinen Fähigkeiten, sowohl von denen seiner Mitarbeiter wie seiner Produktionstechnik, und von seinen Marketingaktivitäten ab.

Der Weg vom Dienstleistungspol zum Produktpol steht aber nur wenigen offen

Die naheliegende Strategieempfehlung, jedes Bauunternehmen solle den Dienstleistungspol hinter sich lassen und sich am Produktpol niederlassen, ist allerdings falsch. Nur wenigen Bauunternehmen und nur für wenige Bauwerkstypen steht dieser Königsweg offen. Im Öffentlichen Bau ist er nicht im Ermessen der Bauunternehmen. Nur der öffentliche Auftraggeber kann entscheiden, ob er klassisch ausschreiben will, also nach den Gepflogenheiten des Dienstleistungspols. Oder er nutzt mehr die Expertise der Bauunternehmen bis hin zum Produktpol, wie etwa wenn er ein Projekt als Öffentlich-Private Partnerschaft, ÖPP, durchführt. Dann kann er dem Bauunternehmen alles übertragen, von der Ideenfindung, was an einem bestimmten Platz gebaut werden soll, über die Planung und den Bau bis hin zum jahrzehntelangen Betrieb und Unterhalt.

Literatur

Baumarkt – Theorie für die Praxis

Hrsg. Bayerischer Bauindustrieverband, München 1999

Ökonomie des Baumarktes –
Grundlagen und Handlungsoptionen:
Zwischen Leistungsversprecher und Produktanbieter

Hrsg. BWI-Bau, Wiesbaden 2013

Thomas Bauer, Der Baumarkt im Ungleichgewicht –
Was unterscheidet den Baumarkt von Produktmärkten?

Hrsg. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin 2014

Thomas Bauer, Ralf-Peter Oepen,
Zweipoligkeit des Baumarktes –
Ökonomische Positionierungsbestrebungen

Hrsg. Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Berlin 2015

Balance am Bau

POSITION Bayerischer Bauindustrieverband, München 2015

Impressum

Ansprechpartner beim Bayerischen Bauindustrieverband:

Abteilung Wirtschaftspolitik

Dr. Josef Wallner
J.Wallner@remove-this.bauindustrie-bayern.de
Telefon +49 89 235003-33

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© BBIV, Dezember 2016