3. Platz Fernwärmenetze der 5. Generation

Eine der größten Herausforderungen zur Einhaltung der deutschen Klimaziele ist die Dekarbonisierung des Gebäudesektors.

Auch die meisten Wärmequellen heutiger Fernwärmenetze basieren auf zentralen Verbrennungsprozessen zur Wärmeerzeugung, was zu großen Mengen an Treibhausgasemissionen bei der Wärmeerzeugung führt. Eine neue Generation von Fernwärmenetzen, sogenannte Fernwärmenetze der 5. Generation, teils auch als „kalte Nahwärmenetze“ bezeichnet, lösen sich vom Konzept zentraler Erzeugung und dezentralem Verbrauch. Stattdessen können die am Netz angeschlossenen Gebäude je nach Tages- oder Jahreszeit selbst Erzeuger oder Verbraucher sein. Auch ein Austausch von Wärme zwischen unterschiedlichen Gebäudetypen oder Gebäuden unterschiedlicher Nutzung wird möglich.

Abwärme, beispielsweise von Klimatisierungs- und Kühlprozessen, Umgebungswärme als auch solare Wärme, eingeleitet in ein Fernwärmenetz der 5. Generation kann an anderer Stelle durch Wärmepumpen aus dem Netz bezogen und zum Heizen wiederverwendet, „recycelt“ werden, wodurch der Bedarf fossiler Brennstoffe deutlich reduziert wird. Ob damit für ein Wohnquartier mit städtischer Dichte und saisonaler Wärmespeicherung eine CO2-neutrale Wärmeversorgung möglich ist, wird hier untersucht.

Die in dieser Dissertation entwickelte Simulationsmethodik zeigt am Fallbeispiel Ökologische Mustersiedlung auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen Kaserne im Osten Münchens den Einfluss verschiedener Nutzertypen, Netztypologien, Wärmedichten und Wärmequellen auf die Leistung eines Fernwärmenetzes der 5. Generation und die Emissionen des Quartiers. Ergänzt wird dies durch eine Wirtschaftlichkeitsanalyse der verschiedenen Netztypologien. Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass die Hypothese haltbar ist, wenn sichergestellt wird, dass der verbleibende Reststrombedarf aus erneuerbaren Quellen bezogen wird. Die Simulationsmethodik macht diese enormen Einsparpotenziale von Fernwärmenetzen der 5. Generation sichtbar.

Fazit

Für die Wärmeversorgung des Fallbeispiels im Basisfall mit einer Reststromversorgung aus konventionellen Quellen wären mit einem Fernwärmenetz der 5. Generation nur 11 % der nicht erneuerbaren Primärenergie eines klassischen Fernwärmenetzes erforderlich. Auch die Wärmeverluste des Netzes könnten auf 45 % der Verluste eines klassischen Netzes reduziert werden. Allein der Effekt dieser beiden Auswirkungen würde umgerechnet in CO2-Emissionen eine Reduktion um 68 % von 643 t/a auf 202 t/a bedeuten.

Ausblick/Vision

Für Ballungszentren weltweit bedeuteten die Ergebnisse dieser Arbeit, dass Neubau- als auch Bestandsquartiere zukünftig mithilfe dieses dezentralen Systems CO2-neutral mit Wärme versorgt werden können. Weitere Vorteile bietet es durch eine vereinfachte Erschließung von Abwärme (z. B. aus Kühlprozessen) und erneuerbaren Energien zu Heizzwecken. Damit zeigen die Ergebnisse der Arbeit einen Weg auf für einen Paradigmenwechsel bei der Wärmeversorgung von Gebäuden in städtischen Quartieren.

Profil

Dr.-Ing. Karl Martin Heißler

TUM
Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen
martin.heissler@remove-this.tum.de

https://mediatum.ub.tum.de/?id=1577768

  • Klassisches Fernwärmenetz
  • Fernwärmenetz der 5. Generation