Kalibrierung und Model Updating

Anhand von Messdaten an einem digitalen Zwilling

Die Berechnung und Beurteilung von Tragwerken erfolgt heutzutage, bis auf wenige Ausnahmen, computergestützt mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM). Die rechnerische Modellanpassung versucht, diese Methode zu erweitern und die in der Realität auftretenden Imperfektionen der Strukturen zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Arbeit wurde die rechnerische Modellanpassung für statische Messgrößen untersucht und das Verfahren in einem Programm implementiert. Für die Berechnungen der untersuchten Tragwerksantworten (Verschiebungen, Verdrehungen usw.) wurde ein FE-Stabtragwerksprogramm implementiert. Des Weiteren wurde eine adjungierte Sensitivitätsanalyse implementiert, mit der sich der Einfluss einer Veränderung von Entwurfsparametern auf eine Antwortgröße untersuchen lässt. Darauf basierend wurde die rechnerische Modellanpassung implementiert. Hierbei werden die Tragwerksantworten an der realen Struktur mit den Tragwerksantworten im FE-Modell für die identischen Lastfälle verglichen. Basierend auf den Unterschieden der Tragwerksantworten berechnet das Programm, wo und um wie viel sich die Steifigkeit des FE-Modells ändern muss, sodass sich die Unterschiede der Antwortgrößen zwischen dem digitalen und dem realen Modell minimieren. Das Ziel ist es, dass der digitale Zwilling möglichst exakt die strukturmechanischen Eigenschaften der realen Struktur wiederspiegelt.

Die Anwendbarkeit des entwickelten Programms wurde in einer Versuchsreihe getestet. Dabei wurde an einem Stahlbalken ein Schaden durch eine Schwächung des Querschnitts simuliert. Basierend auf den unterschiedlichen Tragwerksantworten des beschädigten und des unbeschädigten Modells quantifizierte das Programm den Schaden. Die Änderung der Biegesteifigkeit und damit die Schwächung des Querschnitts konnte bei einer Beschränkung der anzupassenden Elemente auf das beschädigte Element mit einer Genauigkeit von 2,86 % durchgeführt werden.

Fazit

Die Methode ermöglicht es, die in der Realität auftretenden Imperfektionen von Strukturen zu berücksichtigen. Somit stellt sie ein zerstörungsfreies Prüfverfahren dar, das auch in der Lage ist, einen Schaden zu quantifizieren. Im Allgemeinen kann sie für das Structural Health Monitoring eingesetzt werden oder auch zur Verifizierung verwendeter Simulationsmethoden. In weiteren Untersuchungen gilt es, die Methode zu verfeinern und die Anwendbarkeit für komplexere statische Systeme nachzuweisen.

Ausblick/Vision

Durch weitere Forschung und Versuchsreihen kann die Anwendbarkeit und Genauigkeit der rechnerischen Modellanpassung verbessert werden. Untersuchungen zu Materialien und Parameterstudien tragen dazu bei, die Methode zu verfeinern. Ziel ist es, die strukturmechanischen Eigenschaften von komplexen Systemen wie Brücken oder Windrädern genauer abzubilden. Dies ermöglicht eine präzisere Beurteilung von Imperfektionen und Schäden, was wiederum zur Sicherheit und Effizienz solcher Strukturen beiträgt.

Profil

Paul Tuch

TUM
Department of Civil and Environmental Engineering Statik

paultuch14@remove-this.gmail.com

  • Schematische Darstellung der rechnerischen Modellanpassung, Paul Tuch
  • Digitales Abbild der Ganstorbrücke in Ulm, Stefan Grabke